Zeitgenössische Kunst findet im Heute statt, reflektiert unsere Gegenwart aber schöpft natürlich auch aus der Vergangenheit, um daraus manchmal einen Blick in die Zukunft zu gewähren, der wiederrum nur im Rückblick zu erkennen ist. Soweit so undurchsichtig und so spannend.
Der Salzburger Kunstverein zeigt traditionell und wie der Name verrät, seine Jahresausstellung, die meist das Jahresende mit dem neuen Jahr verbindet und so den Mitgliedern das noch jungfräuliche Ausstellungsjahr zur Verfügung stellt. Um als KünstlerIn bei dieser Jahresausstellung von den KuratorInnen ausgewählt zu werden, ist es Voraussetzung eine Mitgliedschaft beim Salzburger Kunstverein zu haben.
Beitragsbild: Ausstellungsdetail, Wandinstallation „Instant Madonna“ Alexandra Baumgartner, Salzburger Kunstverein, Jahresausstellung 2017, Fotocredit: Anita Thanhofer
Der Salzburger Kunstverein zählt zu den profiliertesten Institutionen für zeitgenössische internationale und österreichische Kunst in Österreich. Es ist ein Ort der künstlerischen Produktion und Innovation, des regionalen, aber auch internationalen kulturellen Austausches und des öffentlichen Diskurses.
Die KünstlerInnen werden eingeladen, zu einem jährlich wechselnden Thema ihre Arbeiten einzureichen. Aus diesen Einreichungen schöpft das Kuratorenteam und stellt eine Ausstellung zusammen. „Dieses Jahr wird die Ausstellung am 8. Dezember, am Tag von Maria Empfängnis, eröffnet. Das Thema bezieht sich auf diesen wichtigen Tag im katholischen Kalender und lädt die Künstler_innen ein, zu überlegen, wie Fragen der Reinheit, der Unreinheit, der Perfektion und Imperfektion in ihren Arbeiten eine Rolle spielen.“
Meine einleitenden Gedanken lassen sich ebenso an das Jahresthema 2017 anknüpfen. Denn der christliche Glaube verbindet ebenso wie die Kunst, das Gestern mit dem Heute und anzunehmen auch mit dem Morgen.
Ich habe empfangen, ich empfange, ich werde empfangen haben
KünstlerInnen wie KuratorInnen (Kuratorische Jury 2017: Karolina Radenković (Leitung 5020), Tina Teufel (Kuratorin Museum der Moderne Salzburg), Gerold Tusch (Künstler, Vorstandsmitglied Salzburger Kunstverein) sollten dem christlichen Feiertag der Maria Empfängnis, die Reinheit und die Unreinheit sowie die Perfektion und die Imperfektion zur Seite stellen.
Die einen sollten aus ihren Arbeiten schöpfen, überprüfen, hinterfragen, assoziieren und einreichen, die anderen daraus eine Ausstellung zusammenstellen sowie den Förderpreis 2017 vergeben.
Nochmal kurz zum Thema der „Immaculata conceptio“ – der unbefleckten Empfängnis zurück. Es gibt ja das Sprichwort, wie die Jungfrau zum Kinde kommen. Wir verwenden, diesen Ausspruch wenn wir der Meinung sind, von der jeweiligen Situation überrascht oder überrannt worden zu sein und keinesfalls ein eigenes Zutun verschulden. Oder im positiven einfach nichts dazu beigetragen zu haben. Türürülü….Hokus Pokus und so….In der Reflexion der jeweiligen Situation nimmt das Erkennen, der eigenen Mitschuld oder Mitarbeit, dann doch meistens zu.
Ich habe geglaubt, ich glaube, ich werde geglaubt haben
Bei einem kann man sich im Kontext „Zeitgenössicher Kunst“ immer sicher sein: Sobald KünstlerInnen, das Wort „hinterfragen“ und „überprüfen“ hören, wird es turbulent und wir BetrachterInnen werden von unserem Thron gestoßen, herumgewirbelt, manchmal unsanft aufgesetzt, auf einem neuem Boden der immer auch irgendwie etwas mit der eigenen Realität zu tun hat.
Ich habe, ich bin, ich werde gewesen sein
Die zur Verfügung stehende Ausstellungsfläche beträgt ca. 300m2 und eröffnet sich den BesucherInnen als ein Einraum, ein eigentlich klassischer white cube. Die Raumakustik und das Raumklima ist angenehm sowie der gesamte Besuch immer ein sehr angenehmer ist. Abgesehen vom besten Cafe (Cafe Cult) der Stadt, welches sich ebenfalls im Künstlerhaus befindet, wird man hier stets freundlich, interessiert und aufmerksam vom Besucherteam aufgenommen und begleitet. Danke, an dieser Stelle bei Susanne und Sina für unsere tollen Gespräche.
Das Kuratorenteam hat sich für siebzehn KünstlerInnenpoitionen entschieden. Die meisten sind mit jeweils drei Arbeiten in der Ausstellung vertreten. Die künstlerischen Arbeiten kommen aus unterschiedlichen Genres wie der Malerei, Zeichnung, Fotografie, Installation und Video.
Die Künstlerin Alexandra Baumgartner wurde zusätzlich mit dem Förderpreis 2017 ausgezeichnet. Dieser Preis beinhaltet ein Preisgeld von 3000.- sowie die Möglichkeit im Jahr 2018 das Kabinett des Künstlerhauses mit einer Einzelausstellung zu bespielen, die dann parallel zur folgenden Jahresausstellung gezeigt wird.
Alexandra Baumgartner eröffnet und beschließt sozusagen die Ausstellung, da eine ihrer drei Ausstellungspositionen rund um den Eingang, der gleichzeitig auch der Ausgang ist, platziert ist. Sie wurde 1973 in Salzburg geboren, studierte Malerei an der Universität Mozarteum Salzburg und an der Universität für angewandte Kunst Wien und absolvierte das Fotografie Kolleg in Wien.
Die Wandinstallation „Instant Madonna“ besteht aus sechs gefundenen identischen Heiligenbildern, die alle das selbe Motiv einer konkreten Mariendarstellung zeigen. Sie unterschieden sich in Druckqualität, Größe und Ausschnitt und ihrem „Zustand“. Denn sie lassen „Altersspuren“ wie zerbrochenes Glas, vergilbtes Papier oder andere Beschädigungen erkennen. Wenn Jesus der erste wirkliche Popstar war, dann war Maria der erste weibliche Popstar. Seit Jahrtausenden, quer durch die gesamte Kunstgeschichte und allen Epochen sind christliche Motive rund um Jesus und Maria die meist gewählten. In der Zeit der Gegenreformation kam es zu einer Wiederauflebung des Marienkultus und besonders die Darstellungsform der Maria Immaculate, die unbefleckte Maria, ging in den Kanon ein. Die typische künstlerische Darstellungsform einer Maria Immaculata zeigt die Gottesmutter stehend, ohne Kind. Im 19. Jahrhundert wurde durch die päpstliche Bulle des Pius IX das Dogma von der unbefleckten Empfängnis Mariens verkündet. Zudem kam es zu Marienerscheinungen in Lourdes, weshalb es gerade in dieser Zeit eine Fülle von historisch-romantisierenden Abbildungen gab.
In diesem Fall sehen wir billig reproduzierte „Heiligenposter“ aus dem frühen 20. Jahrhundert, die in Massenware produziert günstig, sehr gut verkauft wurden.
Anders als ein Tafelbild, von dem es nur ein einziges gibt, ist das Motiv in Kopie vervielfältigt und verliert dadurch seine Einzigartigkeit. Erst die Abnutzungsspuren tragen wieder zu einer Individualisierung bei. Die Künstlerin hat die Heiligenbilder zusammengetragen, gekauft, gefunden und kann sicherlich zu dieser Aktion einiges an Geschichten erzählen. Wo die Bilder aufbewahrt waren, wem sie gehört haben und was sie demjenigen bedeutet haben.
Es zählt zur künstlerischen Praxis sich fremdes Bildmaterial anzueignen, es zu verfremden oder in einen anderen Kontext einzuweben. (Vgl. Marcel Duchamp “ L.H.O.O.Q.“ Mona Lisa. Bitte bei Interesse googeln, zwecks der Bildrechte uns so)
Alexandra Baumgartner hat das ausgestellte Bildmaterial nicht verfremdet, auch nicht wirklich in einen anderen Zusammenhang gebracht. Sie hat die „Aura“ der Darstellung durch die Wandinstallation auch nicht geschwächt. Sie hat aber unterschiedliche Kontexte und Räume zueinander geführt. Nämlich den privaten Raum aus dem sie stammen, mit dem öffentlichen Raum der Ausstellung.
Und so spannend und vielfältig geht es nun weiter und jede der siebzehn Positionen ist es wert, gesehen und besprochen zu werden.
Deshalb meine Aufforderung an euch: Ab ins Künstlerhaus! Bis zum 4. Februar ist die Ausstellung noch zu sehen.